Studium, Promotion, Habilitation und Professor für Evangelische Theologie an der LMU
- ökumenische Schnapsidee – zur Idee den Papst 2017 nach Wittenberg oder auf die Wartburg einzuladen
- Unkulturprotestantismus und Klerikalliga Süd – in der Debatte um Strukturreform in Bayern
- Sozialholdings der Kirchen – in der Diskussion über kirchliches Unternehmertum
Wie passen solche zugespitzten Formulierungen zu einem der bedeutendsten Wissenschaftler unserer Tage?
Zunächst zur Vita: Friedrich Wilhelm Graf studierte evangelische Theologie, Philosophie und Geschichte in Wuppertal, Tübingen und München. Dort promovierte und habilitierte er sich. Nach einem Heisenberg-Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft folgte der Ruf an die Universität Augsburg. Elf Jahre später dann der Ruf an die LMU.
Friedrich Wilhelm Graf hat bedeutende Ehrungen und Anerkennungen erfahren: Als erster Theologe wurde Graf mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet; er ist ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; er wurde Mitglied des Vorstands der Ernst-Troeltsch-Gesellschaft und später deren Präsident; er war Gründungsfellow des Max-Weber-Kollegs an der neugegründeten Universität Erfurt; er war Erster Vorsitzender des Trägervereins des Instituts Technik-Theologie-Naturwissenschaften an der LMU.
Wie lässt sich dieser Widerspruch zwischen hochgeehrtem Wissenschaftler und pointiert formulierendem, oft aggressiv wirkendem Theologen auflösen? Lassen wir doch Friedrich Wilhelm Graf selbst zu Wort kommen. In seiner Abschiedsvorlesung sagte er: Es geht mir um theologische Aufklärung, die Religion und speziell die diversen modernen Christentümer in ihren teils positiven, teils leider auch negativen, destruktiven Zügen ernst zu nehmen versucht.
Aus dem sich dann entwickelnden Diskurs über theologische Aufklärung soll hier nur der Abschnitt über die Kritik modernen Sakraltransfers herausgegriffen werden (verkürzt):
Das endliche Mängelwesen Mensch sucht die Defizite seiner selbst auch dadurch zu kompensieren, dass es seine Welt gern mit Sakralität ausstattet. Oft wurden politische Einheiten wie die Nation oder der Staat so sakralisiert, dass ihnen eine Aura des Gottgegebenen, Ewigen, immer schon Gültigen eignete. Gern wurden die Kriege der Nation legitimiert, indem man sie zum „Heiligen Krieg“ und „Kampf für die Sache Gottes“ stilisierte. Solche Übertragungen des Religiösen ins Politische sollen die emotionale Bindungskraft weltlicher Institutionen erhöhen und deren Legitimitätsgrundlagen stärken. Doch das ist gefährlich und wenig freiheitsdienlich, weil durch die behauptete Aura des Sakralen politische Ordnung als nicht mehr kritisierbar erscheint. Der Staat ist nur ein weltlich Ding, und wer Endlichem einen Heiligenschein gibt, erzeugt nur Scheinheiligkeit. Theologische Aufklärung sucht die semantischen Strategien der Instrumentalisierung religiöser Sprache und Symbole für weltliche Zwecke transparent zu machen und so Nüchternheit im Umgang mit Macht und Herrschaft zu erzeugen. Deshalb schreibt sie die Überlieferungen negativer Theologie fort, die es verhindern wollten, dass aus Gottes souveräner Allmacht menschliche Herrscher autoritäre Machtansprüche ableiten. Wer von Gott nicht bloß plappern und Unbedingtes ernst nehmen will, muss von Gott gerade so reden, dass deutlich wird, wann prägnant zu schweigen ist.
Und zum Schluss noch eine „kleine Liebeserklärung“ an die Universität, in concreto die LMU: Ich halte an der alteuropäischen Überzeugung fest, dass in erster Linie die Universität die Institution des gebildeten und sich bildenden Geistes ist, in der man unbequeme Fragen stellen kann und muss.