Der Studientag 2023 zum Thema "Die Menschheit - Woher? Wohin?" fand am 22.07.2023 in der LMU statt. Der sehr gut besuchte Studientag des Zentrums Seniorenstudium der Ludwig-Maximilians-Universität war sehr vielseitig. Gespannt verfolgten die Gäste den Ausführungen der Referentin und der Referenten.
Schon seit vielen Jahren wird der Studientag zusammen mit der Münchener Universitätsgesellschaft veranstaltet. Es referierten:
Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Thurner: Was ist der Mensch? Warum und wie fragt der Mensch nach sich selbst?
"Im Rückgang auf Heraklits orakelartigen Spruch „Ich suchte mich selbst“ lässt sich entdecken, dass der Mensch nach sich fragt, weil er sein Leben immer schon als ein vom Tod in Frage gestelltes erfährt und erkennt. Die klassische Frage ,Was ist der Mensch?ʽ muss durch die alternativen Zugänge ,Wo ist der Menschʽ und ,Wer ist der Mensch?ʽ kritisch ergänzt werden, damit der Mensch sich individuell als offenes Freiheitswesen begreifen und gestalten kann."
PD Dr. Michaela Harbeck: Woher kommen die Bajuwaren?
Die Frage nach dem „Woher?“ hat die Menschheit schon immer beschäftigt. Spätestens seit dem Mittelalter steht auch die Frage nach der Entstehung und Herkunft der heute noch bestehenden Nationalitäten und Bevölkerungsgruppen im Fokus des Interesses. Auch für die Bajuwaren – den Vorgängern der heutigen Bayern – wird die Frage nach ihrer Herkunft immer wieder diskutiert. Die isotopenchemische und molekulargenetische Untersuchung ihrer skeletalen Überreste erlaubt heute einen direkten Blick in die Bevölkerungsschichte der Region. Sie zeigen, dass Migration bei dem Prozess der Stammesbildung eine Rolle gespielt haben dürfte, wenn auch die gemeinsame Einwanderung einer gesamten Bevölkerungsgruppe heute als sehr unwahrscheinlich gelten kann.
Prof. Dr. Hartmut Graßl: Klima - schon immer und auch zukünftig ein zentraler Überlebensparameter!
Der Treibhauseffekt der Atmosphäre mit etwa 30°C hat die Entwicklung des Lebens auf der Erde erlaubt. Wenn er sich ändert, sind alle Lebewesen betroffen. Seit mindestens 60 Millionen Jahren ist dabei das zweitwichtigste Treibhausgas, das Kohlendioxid (CO2), der zentrale Klimaregulator, weil das wichtigste Treibhausgas, der stark temperaturabhängige Wasserdampf (H2O), die vom CO2 vorgegebenen Temperaturänderungen nur verstärkt. Bis etwa vor 10000 Jahren haben die meist langfristigen natürlichen Klimaänderungen allein die Verteilung der Vegetationszonen bestimmt. Danach hat der Mensch zunächst fast unmerklich und jetzt aber immer rascher bis zur Dominanz eingegriffen. Die zu rasche globale Erwärmung bedroht jetzt schon unsere Zivilisation und betrifft alle anderen Lebewesen. Welche Politik das völkerrechtlich bindende Paris-Abkommen erreichen lässt, wird der Schluss des Vortrags zeigen.
Prof. Dr. Gerhard Haszprunar: Was wissen wir - Wissenschaft und Bevölkerung - (noch) über Biodiversität?
Der dramatische Rückgang an Biodiversität, d.h. der Vielfalt an Lebensformen und Ökosystemen, und deren Ursachen sind eine Tatsache.
Unsere Artenkenntnis an Pflanzen (<70%), Tieren (2-20%), Pilzen und Protisten (<2%) sowie Bakterien und Archaeen (<0.1 %) wird durch Einsatz der molekularen Techniken aktuell stark beschleunigt.
Die Artenkenntnis im Volk ist hingegen dramatisch eingebrochen, sodass Verluste nur mehr bedingt wahrgenommen werden. Schulbildung, Expertenausbildung an Hochschulen und alle außerschulische Lernräume sind gefordert, dies zu verbessern – viel Zeit bleibt nicht mehr.