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Studium der Nationalökonomie an der LMU und später Lehrstuhl für Religionsphilosophie und christliche Weltanschauung
Jeden Sonntag um 11 Uhr während des Semesters füllt sich St. Ludwig[1], die Münchener Universitätskirche, bis auf den letzten Platz: Romano Guardini[2] zelebriert die Messe und predigt. Wie kein anderer weiß er zu der Jugend zu sprechen und sie zu bewegen. Der inzwischen Fünfundsiebzigjährige versteht es, den Zwanzigjährigen nahezukommen wie ein Freund – so nahe, dass sein Anliegen das ihrige wird.
Dabei ist Guardini nicht das, was man gemeinhin unter einem großen Rhetor versteht. Er konnte über eine Stunde sprechen, ohne je ein Wort durch eine Geste zu unterstreichen, ohne je die Stimme zu erheben, während Hunderte an seinen Lippen hingen. Seine Rede wirbt. Er spricht wie einer, der seine Schüchternheit gemeistert hat und der sie umgewandelt hat in Demut. So redet er nicht zu den Menschen, sondern in sie hinein, nicht zu den vielen, sondern zu jedem einzelnen. Die Ansprache ist zur Zwiesprache geworden. Guardini ist nie der Wissende, nur immer ein selbst Suchender, aber einer, der die ganze Wahrheit sucht.
Dabei war sein erster Aufenthalt an der Münchener Universität ein vollständiger Misserfolg. Er hatte schon ein abgebrochenes Studium hinter sich, als er Nationalökonomie in München und dann auch in Berlin studierte. Aber auch das schlug fehl. Er entschied sich, Priester zu werden. Diese Entscheidung war vor allem seinen Eltern, die mit dem kleinen Romano aus Verona nach Mainz zogen und dort im Großhandel zu einigem Wohlstand kamen, nur schwer erklärbar. Aber Guardini blieb entschlossen, wohl weil die Entscheidung unbewusst seit langem grundgelegt war.
Sein Theologiestudium absolvierte er in Freiburg im Breisgau und Tübingen, in Mainz wurde er zum Priester geweiht, in Freiburg wiederum promovierte er, und die Universität Bonn habilitierte ihn. Der akademische Weg führte ihn dann nach Berlin, wo ihn der preußische Kultusminister auf einen Lehrstuhl für Religionsphilosophie und katholische Weltanschauung berufen wollte. Aber der Widerstand der evangelisch-theologischen und der philosophischen Fakultät erzwang eine taktische Lösung: Guardini wurde an die Universität Breslau berufen mit ständigem Lehrauftrag in Berlin.
Aber Guardini war kein Fachtheologe, seine eigentliche Aufgabe sah er nicht darin, die Forschung eines theologischen Faches fortzuführen, vielmehr wollte er mit wissenschaftlicher Verantwortung und auf hoher geistiger Ebene die christliche Wirklichkeit deuten.
Und so wurde die Jugendarbeit ein ganz wichtiger Schwerpunkt seines Wirkens, in Ergänzung zu den akademischen Herausforderungen seines Lehrstuhles und den Messen und Gottesdiensten, die er in Berlin zelebrierte.
In der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen engagierte sich Guardini vor allem im katholischen Jugendbund Quickborn mit seiner Tagungsstätte Burg Rothenfels am Main und der Zeitschrift Die Schildgenossen. Was Guardini am Schreibtisch durchdachte, vom Katheter aus lehrte, in seiner Seelsorge versuchte, wurde in Rothenfels mit der Jugend unmittelbar erprobt, besprochen und zuweilen durchgekämpft. Guardini ist es zu verdanken, dass sich die katholische Jugendbewegung aus ihren teilweise allzu harmlosen, unreifen Zielen löste und zu einer vertieften Fragestellung, einer neuen geistigen Verantwortung und einer klareren Selbstdeutung fand.
Dann aber schrieb der neue Staat der Nationalsozialisten seinen Bürgern eine Weltanschauung vor, die den Glauben an Blut und Boden, an den Führer und die Göttlichkeit der nordischen Rasse zur Pflicht machte. Ein Lehrstuhl für katholische Weltanschauung stand hierzu in unerträglichem Widerspruch. Guardinis Professur wurde aufgehoben, Quickborn wurde aufgelöst, Rothenfels wurde beschlagnahmt, Die Schildgenossen mussten eingestellt werden. Guardini selbst zog sich zu Freunden im Allgäu zurück.
Nach dem Krieg setzte sich Carlo Schmid für ihn ein, und er wurde an die Universität Tübingen berufen; drei Jahre später folgte er dem Ruf an die LMU. Hier war es wieder das Zusammenwirken von Kanzel und Katheder, das Guardini so sehr befriedigte.
Bleibende Verdienste hat sich Guardini – neben seinen vielen Publikationen – um die Liturgie, um die Gestaltung des katholischen Gottesdienstes erworben. Einer Einladung zum II. Vatikanischen Konzil, als Theologe in der Liturgie-Kommission mitzuwirken, musste er wegen seiner schwächlichen Gesundheit ablehnen. Wir hier in München haben ihm noch einiges mehr zu verdanken: Er war einer der Gründer der Katholischen Akademie in München; sie wurde offiziell von Kardinal Wendel eröffnet, den Festvortrag aber hielt Guardini in der Großen Aula der LMU. Lassen wir ihn gerade zur Wechselwirkung zwischen Universität und Akademie noch einmal selbst zu Wort kommen:
„Die Universität muss bleiben, was sie ist: Eine Schule des Forschens. Aber neben der Universität brauchen wir Stätten menschlicher Bildung. Da soll ein lebendiges Bild von der Welt und vom Menschen in ihr entstehen. Das alles aber einbezogen in die tief und voll gesehene Wahrheit des Glaubens, an ihr gemessen und geordnet.“
[1] Das Bild ist das Relief an einer Säule in St. Ludwig
[2] Die Darstellung orientiert sich an den beiden Biografien von Gerl-Falkovitz und Kuhn
Dominik Graf, studierte Germanistik und Musikwissenschaften. Er führte Regie u.a. bei diesen Filmen:
- Die Katze
- Das Gelübde
- Die geliebten Schwestern
Newsletter Juli 2019
Studium, Promotion, Habilitation und Professor für Evangelische Theologie an der LMU
- ökumenische Schnapsidee – zur Idee den Papst 2017 nach Wittenberg oder auf die Wartburg einzuladen
- Unkulturprotestantismus und Klerikalliga Süd – in der Debatte um Strukturreform in Bayern
- Sozialholdings der Kirchen – in der Diskussion über kirchliches Unternehmertum
Wie passen solche zugespitzten Formulierungen zu einem der bedeutendsten Wissenschaftler unserer Tage?
Zunächst zur Vita: Friedrich Wilhelm Graf studierte evangelische Theologie, Philosophie und Geschichte in Wuppertal, Tübingen und München. Dort promovierte und habilitierte er sich. Nach einem Heisenberg-Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft folgte der Ruf an die Universität Augsburg. Elf Jahre später dann der Ruf an die LMU.
Friedrich Wilhelm Graf hat bedeutende Ehrungen und Anerkennungen erfahren: Als erster Theologe wurde Graf mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet; er ist ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; er wurde Mitglied des Vorstands der Ernst-Troeltsch-Gesellschaft und später deren Präsident; er war Gründungsfellow des Max-Weber-Kollegs an der neugegründeten Universität Erfurt; er war Erster Vorsitzender des Trägervereins des Instituts Technik-Theologie-Naturwissenschaften an der LMU.
Wie lässt sich dieser Widerspruch zwischen hochgeehrtem Wissenschaftler und pointiert formulierendem, oft aggressiv wirkendem Theologen auflösen? Lassen wir doch Friedrich Wilhelm Graf selbst zu Wort kommen. In seiner Abschiedsvorlesung sagte er:
Es geht mir um theologische Aufklärung, die Religion und speziell die diversen modernen Christentümer in ihren teils positiven, teils leider auch negativen, destruktiven Zügen ernst zu nehmen versucht.
Aus dem sich dann entwickelnden Diskurs über theologische Aufklärung soll hier nur der Abschnitt über die Kritik modernen Sakraltransfers herausgegriffen werden (verkürzt):
Das endliche Mängelwesen Mensch sucht die Defizite seiner selbst auch dadurch zu kompensieren, dass es seine Welt gern mit Sakralität ausstattet. Oft wurden politische Einheiten wie die Nation oder der Staat so sakralisiert, dass ihnen eine Aura des Gottgegebenen, Ewigen, immer schon Gültigen eignete. Gern wurden die Kriege der Nation legitimiert, indem man sie zum „Heiligen Krieg“ und „Kampf für die Sache Gottes“ stilisierte. Solche Übertragungen des Religiösen ins Politische sollen die emotionale Bindungskraft weltlicher Institutionen erhöhen und deren Legitimitätsgrundlagen stärken. Doch das ist gefährlich und wenig freiheitsdienlich, weil durch die behauptete Aura des Sakralen politische Ordnung als nicht mehr kritisierbar erscheint. Der Staat ist nur ein weltlich Ding, und wer Endlichem einen Heiligenschein gibt, erzeugt nur Scheinheiligkeit. Theologische Aufklärung sucht die semantischen Strategien der Instrumentalisierung religiöser Sprache und Symbole für weltliche Zwecke transparent zu machen und so Nüchternheit im Umgang mit Macht und Herrschaft zu erzeugen. Deshalb schreibt sie die Überlieferungen negativer Theologie fort, die es verhindern wollten, dass aus Gottes souveräner Allmacht menschliche Herrscher autoritäre Machtansprüche ableiten. Wer von Gott nicht bloß plappern und Unbedingtes ernst nehmen will, muss von Gott gerade so reden, dass deutlich wird, wann prägnant zu schweigen ist.
Und zum Schluss noch eine „kleine Liebeserklärung“ an die Universität, in concreto die LMU: Ich halte an der alteuropäischen Überzeugung fest, dass in erster Linie die Universität die Institution des gebildeten und sich bildenden Geistes ist, in der man unbequeme Fragen stellen kann und muss.
Newsletter Oktober 2017
Studium von Germanistik und Geschichte für das Grund- und Hauptschullehramt an der LMU
Seine Eltern waren Flüchtlinge, da wundert es nicht, dass sich Gottschalk schon als Gymnasiast nebenher Geld verdienen musste; er jobbte als DJ, er erteilte Nachhilfeunterricht, aber außerdem arbeitete er noch als Kinder- und Jugendbetreuer der katholischen Kirche. Das Studium wurde ihm durch ein Stipendium der Deutschen Bischofskonferenz ermöglicht. Nebenher arbeitete er als freier Mitarbeiter für den BR Jugendfunk. Aber bald erhielt er eine Festanstellung beim BR und wurde erstmals populär als Moderator der Hörfunksendung Pop nach acht (auf Bayern 3), der Beginn einer einzigartigen Karriere als Radio- und Fernsehmoderator und Schauspieler.
Erläuterung zum zweiten Bild:
Legendär dieser Fernsehabend: Dem einflussreichen Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki sollte von Thomas Gottschalk der Preis des Deutschen Fernsehens für sein Lebenswerk überreicht werden. Allein Reich-Ranicki verblüffte die Festversammlung getreu seinem Motto „Ein Kritiker darf alles, nur nicht langweilen“. Zum Entsetzen des Publikums verweigerte Reich-Ranicki den Preis, weil, so seine Begründung, er anschließend auch Worte des Dankes sagen müsste. Das könnte er aber nicht, denn das Fernsehen sei so schlecht, so voll von Blödsinn, auch an diesem Abend; ein Dank für eine solche Auszeichnung käme nicht über seine Lippen. Nur einer behielt die Fassung und reagierte blitzschnell: Thomas Gottschalk griff die Kritik auf und fragte die anwesenden Intendanten der Fernsehanstalten, ob sie Sendezeit frei machten, um genauer zu sehen, was denn Reich-Ranicki missfiel. Nachdem deren Zustimmung erfolgt war und auch Reich-Ranicki mit einem solchen Gespräch einverstanden war, kam die nächste Überraschung: Reich-Ranicki, offensichtlich gerührt von so viel Geistesgegenwart und Entgegenkommen, erzählte umständlich noch eine Geschichte von dem großen Cellisten Rostropowitsch und dem Dirigenten Karajan, nur um Thomas Gottschalk auf offener Bühne das du anzubieten.
Auf Youtube kann man diesen Auftritt noch sehen.
Newsletter Juni 2017