Zum Inhalt springen
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z Alle
Therese von Bayern

Prinzessin Therese Charlotte Marianne Auguste von Bayern wuchs zusammen mit ihren drei Brüdern im Münchener Palais Leuchtenberg auf. Ihr Vater war Luitpold, Prinz von Bayern, der spätere Prinzregent. Therese fällt schon früh als ein ungewöhnlich begabtes, provozierend wissensdurstiges und ehrgeiziges Kind auf. Sie interessierte sich für Pflanzen, Tiere und Kulturen und zeigte ein außergewöhnliches Sprachtalent. Zudem war es ihr wichtig, durch physisches Training und Gymnastik Kraft und Eigenständigkeit zu gewinnen.

Obwohl die Familie auf eine standesmäßige Heirat drängte, blieb Therese unverheiratet. Sie fühlte sich von keinem der ihr vorgestellten Kandidaten angezogen und beschreibt sich selbst als heiratsuntauglich. Sie galt als eigenwillig, selbstbewusst und hatte, für eine Frau im späten 19. Jahrhundert, ungewöhnliche Interessen. Ihre breitgefächerte Bildung in Natur- und Sozialwissenschaften, in Geologie, Botanik, Zoologie und Ethnologie erwarb sie sich im Selbststudium, weil Mädchen und Frauen zur damaligen Zeit weder an Gymnasien noch an Universitäten zugelassen waren.

Ihr Wissensdurst trieb sie aus München heraus, sie bereiste erst Europa, dann Nordafrika, sie reiste durch Skandinavien, der Mitternachtssonne entgegen, sie fuhr quer durch das russische Zarenreich, fuhr den Amazonas hinauf und entlang der tropischen Küste Brasiliens. Alexander von Humboldt zeichnete ihr den Dreischritt vor: Erstens wissenschaftliche Zielsetzung und Planung, zweitens Durchführung und drittens die wissenschaftliche Aufarbeitung. So lernte sie nebenbei und nach und nach 12 Fremdsprachen; auf den langen, expeditionsähnlichen Fahrten lebte sie spartanisch und reiste stets inkognito.

Das Zusammenwirken von Beobachten, Forschen, Sammeln, Schreiben und Beschreiben, die lange Liste ihrer Ziele, die hohe Zahl ihrer Veröffentlichungen macht sie zu einer eindrucksvollen Person, die bald Anerkennung findet: Sie wird zum Ehrenmitglied der Geographischen Gesellschaft sowie der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ernannt. Und sie erhielt – für Autodidakten und für eine Frau zu dieser Zeit eine Seltenheit – von der Philosophischen Fakultät der Universität München die Ehrendoktorwürde.

Nach dem Tod ihres Vaters stellte Therese das Reisen ein und widmete sich stattdessen sozialen und politischen Fragen ihrer Heimat. Den Eintritt Deutschlands in den Ersten Weltkrieg und die Kriegsbegeisterung dieser Zeit lehnte Therese entschieden ab. Sie zog sich in ihre Villa am Bodensee zurück, wo sie im Alter von 74 Jahren starb. Sie wurde unter dem Hauptaltar der Theatinerkirche beigesetzt.

_________________________________________________

Therese von Bayern war die erste Frau, die von der LMU derart geehrt wurde. Frauen war auch damals noch das Studium verwehrt, erst sechs Jahre später wurden sie an der LMU zugelassen, und auch nur das eingeschränkt. Das Verzeichnis der Studierenden aus dem Jahr 1903 enthält nach namentlicher Auflistung aller Professoren und aller Studenten den Vermerk:

und mit höchster Genehmigung zu Vorlesungen zugelassene Hörerinnen ~ 33

Die LMU war keinesfalls Vorreiter bei der Ehrung oder Zulassung von Frauen; mit Stolz kann die Universitätsgesellschaft darauf hinweisen, dass unsere Mitbegründerin, Ricarda Huch, fünf Jahre vor Therese von Bayern mit der Ehrendoktorwürde der Universität Zürich ausgezeichnet wurde.

Newsletter Juli 2018

Christoph Stock

Studium der Astrophysik an der LMU

Die Zukunft von Christoph Stock lag einmal auf dem weihnachtlichen Gabentisch: Ein Commodore 64 und ein Buch von Rudolf Kippenhahn: „100 Milliarden Sonnen - Geburt, Leben und Tod der Sterne“.

Dieses Buch führte ihn in das Studium der Astrophysik, die Stock noch immer als wunderbare Wissenschaft bezeichnet – es gibt hier zwar keine Experimente, aber viele Gedanken und Phantasien, welche dann durch Beobachtungen verifiziert werden müssen.

Der Commodore 64 gilt noch heute als einer der meistverkauften Heimcomputer weltweit und seine Popularität verdankte er seiner (damaligen) Vielseitigkeit: er war einerseits Spielcomputer, diente aber auch zur Softwareentwicklung. Christoph Stock arbeitete leidenschaftlich gern mit ihm: Mit dem Commodore 64 lernte er zu programmieren und wagte sich an immer komplexere Fragestellung heran. Mehrfach nahm er am Bundesjugendwettbewerb Information teil.

Diese beiden Interessen konnte er im Studium an der LMU weiterführen und  zusammenwirken lassen. Kein Wunder, dass er sich einen Studentenjob beim Planetarium im Forum der Technik suchte und dort dann auch ein paar neue Astronomievorstellungen programmierte.

Nach seinem Abschluss war Stock mit dem nicht wirklich ergiebigen Arbeitsmarkt für Astrophysiker konfrontiert. Er, der lieber mit Leuten arbeitet, tat sich schließlich mit anderen Physikern und Informatikern zusammen und zu zwölft gründeten sie die TNG Technology Consulting GmbH, eine partnerschaftliche, wertegetriebene Unternehmensberatung mit Fokus auf High-End-Informationstechnik. 17 Jahre existiert die Firma bereits und aus den Zwölfen sind inzwischen 330 Mitarbeiter geworden, alles Akademiker und mehr als die Hälfte davon haben sogar promoviert. Das überdurchschnittliche und nachhaltige Wachstum wurde u.a. ausgezeichnet mit dem Gewinn bei „Bayerns Best 50“ in 2010, 2012 und 2015 sowie dem Eintrag in die Financial Times Top Europe 100 Liste 2017.

TNG Technology Consulting berät Firmen bei der Erstellung und Weiterentwicklung firmeninterner Software. Die Kunden kommen hauptsächlich aus der Telekommunikations- und Versicherungsbranche sowie dem E-Commerce, aber auch aus dem Automobilsektor, der Logistik, dem Finanzwesen und anderen Branchen. TNG konzentriert sich auf agile Softwareentwicklung, DevOps & Cloud und Künstliche Intelligenz, und ist damit insbesondere auch im Bereich Big Data unterwegs.

Ein schönes Big Data Referenzprojekt entwickelt TNG mit einem Kunden aus der Telekomunikationsbranche. Dabei werden personenbezogen Informationen so in der Cloud gespeichert und der Auswertung durch dritte Parteien zugänglich gemacht, dass der Datenschutz für die personenbezogenen Daten vollumfänglich gewährleistet bleibt. Dazu kommen Verfahren aus der Kryptologie und der Differential Privacy zur Anwendung. Die mit dem Kunden gemeinsam erarbeitete Lösung wurde dann auch vom  Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) als mustergültig zertifiziert.

TNG ist stolz darauf, jungen Akademikern eine Perspektive geben zu können, selbst wenn der „normale“ Arbeitsmarkt wenig Möglichkeiten für „exotischere“ Studienfächer bietet. Neben Physikern, Mathematikern und Informatikern finden z.B.  auch Technomathematiker, Nachrichtentechniker, Bioinformatiker, Bauingenieure, Verfahrenstechnik-Ingenieure und sogar Musikwissenschaftler bei TNG eine berufliche Perspektive. Die Hauptsache ist, man ist nett, kann logisch denken, Zusammenhänge erkennen und Lösungen erarbeiten. Und natürlich muss man Lust auf Software-Entwicklung haben. Aber dann ist man auch als Quereinsteiger innerhalb von etwa zwei Jahren auf Top-Niveau und ein vollwertiger Software-Consultant, der auch alleine zum Kunden gehen kann. Kontinuierliche Weiterbildung ist ein Muss und die offene Arbeitsatmosphäre, die stark einem Campus gleicht, kommt gerade jüngeren, ambitionierten Menschen entgegen. Bei TNG haben diese die Freiheit, sich weiterzuentwickeln – und natürlich die Verantwortung, es auch zu tun. Dazu gibt es für jeden Mitarbeiter zweimal im Monat den sogenannten „Techday“, der ganz der individuellen Weiterentwicklung vorbehalten ist.

Zu seiner Fakultät hält Christoph Stock weiterhin Kontakt, immer wieder besucht er Vorträge und Kolloquien sowie Sommer- und Weihnachtsfest; meist ruft er noch Freunde aus der Studienzeit an, um solche Besuche gemeinsam zu machen.

Newsletter April 2018

Max Planck

Studium der Mathematik und Physik, Promotion und Habilitation in Physik, alles an der LMU

Max Planck stammte aus einer traditionsreichen Gelehrtenfamilie in Kiel. Die Familie zog nach München, als der Vater auf den Lehrstuhl für Zivilprozessrecht der LMU berufen wurde. Max Planck besuchte das Max Gymnasium in Schwabing und war dort ein guter, jedoch kein herausragender Schüler. Viele wohlhabende und angesehene Familien sandten ihre Kinder auf diese Schule, so waren unter Plancks Mitschülern der spätere Gründer des Deutschen Museums, Oskar Miller sowie der Sohn des Literaturnobelpreisträgers Paul Heyse, aber auch Max Plancks zukünftiger Schwager Karl Merck war dort, Sohn der Bankier Familie Merck.

Max Planck machte das Abitur als Viertbester seines Jahrgangs. Die nun anstehende Wahl des Studienfachs fiel ihm nicht leicht, er schwankte zwischen Naturwissenschaften, der Altphilologie und einem Musikstudium. Planck, der über ein absolutes Gehör verfügte, spielte Klavier und Cello und begleitete regelmäßig Gottesdienste an der Orgel. Er war zudem ein hervorragender Sänger und war als Knabensopran Mitglied im Schul- und Kirchenchor. Zudem dirigierte und komponierte er Lieder für kleine Theaterstücke und die Hausmusik, die damals für das Bildungsbürgertum eine übliche Freizeitbeschäftigung waren. Als Student komponierte er eine Operette mit dem Titel „Die Liebe im Walde“, die auch zur Aufführung kam. - Max Planck behielt das regelmäßige Musizieren in seinem Haus sein Leben lang bei.

Da Max Planck in einem Musikstudium keine Berufsperspektive sah, entschied er sich für das Studium der Mathematik und der Naturwissenschaften an der LMU. Aber schon nach einigen Semestern wechselte er an die führende Universität Deutschlands, die Friedrich-Wilhelms-Universität, jetzt Humboldt Universität in Berlin. Seine Erwartungen waren hoch, jedoch war er von den Vorlesungen der von ihm bewunderten Wissenschaftler bald enttäuscht. So schrieb er später einmal: „Allerdings muss ich gestehen, dass mir die Vorlesungen keinen merklichen Gewinn brachten. H. hatte sich offenbar nie richtig vorbereitet, er sprach immer nur stockend, außerdem verrechnete er sich beständig an der Tafel und wir hatten das Gefühl, dass er sich selber bei diesem Vortrag mindestens ebenso langweilte wie wir. Die Folge war, dass die Hörer nach und nach wegblieben, schließlich waren es nur noch drei, mich und meinen Freund L. eingerechnet.“ Daher bildete sich Max Planck hauptsächlich im Selbststudium und entdeckte für sich die Wärmetheorie mit ihren beiden Hauptsätzen, wobei er den ersten bereits aus seiner Schulzeit als „Prinzip von der Erhaltung der Energie“ kannte. Den zweiten Hauptsatz wählte Planck zum Thema seiner Dissertation.

Max Planck kehrte wieder nach München zurück und legte das „Staatsexamen für das Lehramt an höheren Schulen“ in den Fächern Mathematik und Physik ab, ein halbes Jahr später wurde er promoviert und nach einem weiteren Jahr folgte die Habilitation. Damit gehörte Max Planck mit nun 22 Jahren zum exklusiven Kreis der Universitätslehrer, allerdings ohne Sold und unter dem Druck, sich einen Namen in der akademischen Welt machen zu müssen, noch dazu in seinem Spezialgebiet, der theoretischen Physik, einem damals noch kleinen, wenig beachteten Fach.

Endlich, nach 5 Jahren, kam der ersehnte Ruf nach Kiel, und nach nur vierjähriger Tätigkeit dort konnte Max Planck an die Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin wechseln, an der er fortan forschte und lehrte.

Max Planck war nicht nur ein herausragender Wissenschaftler (Nobelpreis 1918) sondern hatte in Wissenschafts- und Forschungsinstitutionen hohe und höchste Positionen. So holte er Albert Einstein nach Berlin. Einstein wäre lieber in Bern in der Schweiz geblieben, als überzeugter Individualist und Demokrat stand er den preußischen Idealen verständnislos gegenüber. Dennoch nahm er das großzügige Angebot an, das Planck als Rektor der Berliner Universität, als beständiger Sekretär der Preußischen Akademie der Wissenschaften und als Senator der Kaiser Wilhelm Gesellschaft zustande brachte. Damit war Berlin das Zentrum der Quanten- und Relativitätstheorie geworden, nirgendwo anders in der Welt gab es ein besseres Forum für die wissenschaftliche Diskussion.

Max Planck wurde Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, bis ihn das nationalsozialistische Regime zum Rücktritt drängte. Aber schon kurz nach dem Krieg bestand Einigkeit, diese Forschungsorganisation, die Hervorragendes in der Wissenschaft geleistet hatte und auch in den Zeiten des Nationalsozialismus ihrem Namen und ihren Idealen treu geblieben war, weiterzuführen. Allein der Name war für die britische Besatzungsmacht nicht akzeptabel. So erfuhr Planck noch einmal höchste Ehre: Die Gesellschaft wurde nach ihm benannt, und er wurde – hochbetagt – zum Ehrenpräsident ernannt. Heute ist die Max-Planck-Gesellschaft die weltweit beste nicht-universitäre Forschungseinrichtung.

Newsletter April 2018

Max Wagner

Studium der Rechtswissenschaft an der LMU

Kulturmanager mit vielen Facetten:

Jurastudium in München und Paris, anschließend noch ein Gesangsstudium in Dresden und Mainz. Als Bassbariton trat Max Wagner bei Liederabenden und auf Opernbühnen auf; daneben arbeitete er als Rechtsanwalt, vor allem in den Bereichen Erbrecht und Verbraucherinsolvenz. Als das Stuttgarter Kammerorchester darbte, Max Wagner brachte es als Geschäftsführender Intendant wieder auf Vordermann.

Danach gelang ihm das schier Unglaubliche: Er wurde Geschäftsführender Direktor an der Seite von Intendant Josef E. Köpplinger und beide führten das Gärtnerplatztheater auf dem langen Weg durch die Wüste der Renovierung: Jahrelang gab es Produktionen abseits des eigentlichen Hauses, man spielte in Zelten, in Reithallen, im Zirkus, im Prinzregententheater, und die Zuschauer wurden immer mehr, ein Erfolg folgte dem anderen. Jetzt ist das Gärtnerplatztheater ins eigene Haus zurückgekehrt, Max Wagner hat eine neue Aufgabe begonnen.

Er ist Geschäftsführer des Gasteig, Europas größtem Kulturzentrum mit fünf großen Sälen und so unterschiedlichen Institutionen wie den Münchener Philharmonikern, der Volkshochschule, der Stadtbibliothek und der Hochschule für Musik und Theater. Mit mehr als 1.700 Veranstaltungen pro Jahr spannt der Gasteig sein Angebot von Musik, Theater, Show, Tanz, Film und Ausstellungen bis hin zu Kursen, Vorträgen, Konferenzen und Kongressen. Themen der Zeit werden aufgenommen, und immer wieder heißt es Stellung beziehen.

Max Wagner liegt daran, den „Juwel“ Gasteig mit all seinen Facetten sichtbar zu machen; es ist ihm aber auch sehr wichtig, dass das Zusammenwirken mit den anderen Kulturinstitutionen in München gelingt, mit den neuen und alten Konzertsälen, den Theatern, den Museen, den Hochschulen, den Akademien. In einem SZ-Interview sagte er dazu: „Es geht nur gemeinsam. Man verteidigt nicht seinen Fürstenhof, sondern findet Spaß daran, zusammen zu spielen.“

Der Gasteig ist inzwischen älter als 30 Jahre, seine Generalsanierung ist beschlossen. Die technischen Anlagen werden erneuert, die Fenster sollen offener und lichter werden und auch der Carl-Orff-Saal dürfte neu konzipiert werden. Das Gebäude wird (ebenso wie vormals das Gärtnerplatztheater) geschlossen, ein Ausweichquartier ist schon einmal ausgewählt, aber natürlich liegen die Entscheidungen beim Münchener Stadtrat.

Als wäre das alles nicht genug: Max Wagner hat die Federführung beim Faust-Festival übernommen. Fünf Monate lang wird München 2018 im Zeichen von Goethes berühmtestem Drama stehen, mehr als 500 Events wird es geben: Ausstellungen, Konzerte, Filmvorführungen, Vorträge, literarische Veranstaltungen, Theaterproduktionen, Tanzvorstellungen, Partys, Führungen, Wettbewerbe und vieles mehr. Alle sollen sich mit den vielfältigen Facetten des Faust-Stoffes auseinandersetzen.

Aber noch einmal zurück: Mit Bertold Brecht, dem anderen Alumnus dieses Newsletters, verbindet Max Wagner etwas Besonderes: Während seines Gesangsstudiums in Dresden hat er sich mit Kommilitonen zusammengetan und Werke von Brecht aufgeführt. Im Wechsel wurden Tagebucheintragungen aus der Zeit des Exils gelesen und Gedichte, meist in der Vertonung von Kurt Weill, gesungen. Eines kann Max Wagner noch heute (fast vollständig) aufsagen:

Erinnerung an die Marie A

1
An jenem Tag im blauen Mond September
Still unter einem jungen Pflaumenbaum
Da hielt ich sie, die stille bleiche Liebe
In meinem Arm wie einen holden Traum.
Und über uns im schönen Sommerhimmel
War eine Wolke, die ich lange sah
Sie war sehr weiß und ungeheuer oben
Und als ich aufsah, war sie nimmer da.

2
Seit jenem Tag sind viele, viele Monde
Geschwommen still hinunter und vorbei
Die Pflaumenbäume sind wohl abgehauen
Und fragst du mich, was mit der Liebe sei?
So sag ich dir: Ich kann mich nicht erinnern.
Und doch, gewiß, ich weiß schon, was du meinst
Doch ihr Gesicht, das weiß ich wirklich nimmer
Ich weiß nur mehr: Ich küsste es dereinst.

3
Und auch den Kuss, ich hätt' ihn längst vergessen
Wenn nicht die Wolke da gewesen wär
Die weiß ich noch und werd ich immer wissen
Sie war sehr weiß und kam von oben her.
Die Pflaumenbäume blühn vielleicht noch immer
Und jene Frau hat jetzt vielleicht das siebte Kind
Doch jene Wolke blühte nur Minuten
Und als ich aufsah, schwand sie schon im Wind.

Newsletter November 2017

Bertold Brecht

Studium der Philosophie und der Medizin an der LMU

In der Dachkammer hat alles angefangen: Der Schüler Brecht traf sich dort mit Freunden, man diskutierte, man schrieb, man las vor, man sang und Brecht bestimmte.

Diesen Arbeitsstil hat Brecht sein Leben lang angewendet[1], er arbeitete im Kollektiv, hörte zu, änderte, las oder sang vor und die endgültige Fassung trug eindeutig seine Handschrift. So entstand die sehr enge Verbindung des Literarischen mit anderen Künsten, mit Grafik und Bühnenbild und vor allem mit der Musik.

Die Dachkammer war in einem stattlichen Haus am Rande der Stadt Augsburg, wo der Vater zwei Wohnungen mit sechs Zimmern bewohnte. Bert Brecht, ein wohlbehüteter Knabe aus bürgerlichen Verhältnissen, brachte regelmäßig gute, wenn auch nicht sehr gute Zeugnisse nach Hause. Er erhielt Klavier-, Geigen- und Gitarrenunterricht, freilich schlug nur der letztere an.

Brecht war spindeldürr und von schlechter Gesundheit. Hinzu kamen Herzbeschwerden mit Panikattacken und Todesängsten. Brecht ergab sich nicht ohnmächtig, sondern kämpfte die Ängste nieder, mit demonstrativer Großmannssucht und erhöhter Kraftmeierei. Eingeübt wurde so eine Haltung der Kühle und Distanz, die ihm zu einer dritten Natur werden sollte.

Aus der Dachkammer kamen dann auch die ersten Produktionen, viele Gedichte, zu einigen stand er auch später noch, vor allem aber Rezensionen und Prosatexte in lokalen und regionalen Medien.

In dieser Zeit begann auch der Reigen der Geliebten, der bis zu seinem Tod nicht mehr abreißen sollte. In dieser Zeit umwarb er die Schülerin Rosa Maria Amann, deren Name später in den Titel eines seiner bekanntesten Gedichte einging. Bald trat jedoch die Liebe zu Paula Banholzer in den Vordergrund, die er „Bi“ nannte (für Bittersweet oder „Bittersüß“).

Nach einem kriegsbedingten Notabitur schreibt sich Brecht an der Philosophischen Fakultät der LMU ein, und als ihm aber ein halbes Jahr später die Einberufung droht, schreibt er sich für das Medizinstudium ein, schließlich will er im Ernstfall lieber Sanitäter als Frontsoldat sein. Das Studium setzt er nur halbherzig fort, sein Engagement gilt dem Literaturbetrieb in München. Zur Klampfe singt er seine Lieder, immer neue Texte entstehen, die Zuhörer sind von seiner Vortragskunst entzückt. Er lernt Karl Valentin kennen und spielt bald in dessen Orchester die Klarinette.

Dem Ersten Weltkrieg folgt das Ende der Wittelsbacher Herrschaft und die Revolution; Brecht berührt das nicht, er ist und bleibt unpolitisch. Auch für das sowjetische Gesellschaftsexperiment, dem einmal seine große Bewunderung gelten wird, zeigt er noch wenig Interesse. Statt aufs Kollektiv setzt Brecht auf den rücksichtslosen Lebensgenuss. Er wird exmatrikuliert, weil der Medizinstudent sich zu keiner Vorlesung mehr einschrieb.

Andererseits arbeitet Brecht an zwei Bühnenstücken, Baal und Trommeln in der Nacht. Hoffnungsvoll verschickt er seine Arbeiten an kulturelle Autoritäten, deren Reaktion aber ablehnend ist. Er überarbeitet die Stücke immer wieder und versucht erneut sie zu platzieren. Dann hat Brecht Erfolg: In den Münchener Kammerspielen kommen die Trommeln in der Nacht unter der Regie von Otto Falckenberg zur Aufführung. Lion Feuchtwanger, der damals dramaturgischer Berater an den Kammerspielen war, hatte sich für den jungen Dichter eingesetzt. Das Stück basiert zwar auf einem revolutionären Arbeiteraufstand in Berlin, Brecht gibt der Handlung aber eine völlig unpolitische Wendung, die Hauptfigur verlässt die Revolte, der er sich kurzzeitig anschließt, um in die Arme seiner Geliebten zu versinken: Das große weiße, breite Bett ist weitaus attraktiver als die Revolution.

Mit einer Lobeshymne befördert die Kritik Brecht in die Autorenelite Deutschlands. Er erhält den Kleist Preis, es folgen weitere Uraufführungen, am Münchner Residenztheater Im Dickicht und in Leipzig Baal. Durch geschickte Verhandlungen sichert sich Brecht ein monatliches Fixum eines Verlages. Brecht ist etabliert.

Nun wandelt sich Brecht zum politischen Schriftsteller, zum überzeugten Kommunisten (ohne der KPD beizutreten) und verfolgt fortan mit seinen Werken politische Ziele. Ein wichtiger theatertheoretischer Aufsatz sind die Anmerkungen zur Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny. Die Zusammenarbeit mit Kurt Weill in mehreren musikdramatischen Werken ist für die Entstehung des epischen Theaters wesentlich. Mit der Dreigroschenoper feiert das Duo Brecht / Weill einen der größten Theatererfolge der Weimarer Republik.

Schon sehr früh hatte sich Brecht über die Nazis und den „Anstreicher“ Hitler lustig gemacht. Das vergaßen sie ihm nie. Immer mehr wird Brecht zur Zielscheibe nicht nur der Nazis, sondern des gesamten rechten Feuilletons, polizeiliche Maßnahmen werden gefordert und durchgesetzt. Am Tag nach dem Reichstagsbrand verlässt Brecht Deutschland, noch am Tag seiner Flucht durchsucht die Polizei seine Wohnung, seine Konten werden gesperrt; zwei Jahre später nimmt man ihm die deutsche Staatsbürgerschaft.

Brecht findet für mehr als fünf Jahre ein Zuhause in Dänemark, Reisen nach Paris, London, Moskau, New York City bringen unterschiedliche Erfolge für den Dichter, der sich sämtlichen Fremdsprachen verschließt. Dennoch sind die Jahre im dänischen Exil literarisch äußerst produktiv, es entsteht Lyrik und vor allem Das Leben des Galilei und Mutter Courage und ihre Kinder, zwei seiner meistgespielten und meistgerühmten Dramen.

Brecht muss Dänemark wegen der deutschen Eroberung Skandinaviens verlassen, zusammen mit der Familie zieht er für ein Jahr nach Schweden, aber auch dort fühlt er sich nicht sicher und nach einem weiteren Jahr in Finnland tritt er die Reise in die USA an und lässt sich in Hollywood nieder. Gegenüber den beschaulichen skandinavischen Exilorten ist er in den USA mit einer Kultur konfrontiert, der er schon in den ersten Wochen seines Aufenthaltes mit abwehrendem Hass begegnet. Und in keiner Phase seines Schriftstellerlebens ist Brecht so wenig produktiv wie im amerikanischen Exil. Natürlich versucht er die Nähe der großen Filmstudios zu nutzen, um als Drehbuchautor Fuß zu fassen. Mehr als 50 Filmentwürfe sind während seines achtjährigen Aufenthaltes entstanden: Gescheitert ist er mit nahezu allen.

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs beginnt in Amerika die Zeit der hysterisch anmutenden antikommunistischen Hexenjagd. Auch Brecht muss vor einem Ausschuss zur Untersuchung „unamerikanischer Umtriebe“ aussagen; einen Tag danach steigt er ins Flugzeug nach Paris. Über Zürich erreicht er schließlich Ostberlin, wo er als prominenter Künstler empfangen wird.

Nach einem überwältigenden Erfolg der Mutter Courage am Deutschen Theater unter der Regie von Brecht mit Helene Weigel in der Hauptrolle, wird dem Duo Weigel / Brecht eine eigene Theatertruppe zugeteilt, das Berliner Ensemble, zunächst im Deutschen Theater, später im Theater am Schiffbauerdamm.

Brecht hofft, wenn auch im Osten ansässig, in ganz Deutschland wirken zu können. Dazu besorgt er sich – noch staatenlos – die österreichische Staatsbürgerschaft, was weder Wien noch Ostberlin goutieren. Überhaupt trifft Brecht nicht wirklich den Ton der Mächtigen. Seine Stücke werden von den Zensoren buchhalterisch begutachtet, ihre klassenkämpferische Qualität wird bisweilen als unzureichend eingestuft. Dennoch verhält er sich der DDR Regierung gegenüber durchgängig loyal, selbst wenn ihn die kleinbürgerliche Gesinnung der Minister und Funktionäre abstößt, vor allem die des Parteivorsitzenden Walter Ulbricht.

Die DDR Zeit Brechts ist geprägt von Regietätigkeit, Werkbearbeitungen sowie kulturpolitischem Engagement; in seinen letzten Lebensjahren wächst die Anerkennung und Achtung, die man Brecht und seinem Werk entgegenbringt.

Zum Abschluss sein Sonett Nr. 19  

Nur eines möcht ich nicht: daß du mich fliehst.
Ich will dich hören, selbst wenn du nur klagst.
Denn wenn du taub wärst, braucht ich, was du sagst
Und wenn du stumm wärst, braucht ich, was du siehst

Und wenn du blind wärst, möcht ich dich doch sehn.
Du bist mir beigesellt, als meine Wacht:
Der lange Weg ist noch nicht halb verbracht
Bedenk das Dunkel, in dem wir noch stehn!

So gilt kein: »Laß mich, denn ich bin verwundet!«
So gilt kein »Irgendwo« und nur ein »Hier«
Der Dienst wird nicht gestrichen, nur gestundet.

Du weißt es: wer gebraucht wird, ist nicht frei.
Ich aber brauche dich, wie’s immer sei.
Ich sage ich und könnt auch sagen wir.

Newsletter November 2017


[1] Diese Zusammenfassung orientiert sich an der rowohlts monographie von Reinhold Jaretzky